Einleitung
Lycopodium ist eines der bestbekannten und meistbeschriebenen Mittel in der homöopathischen Pharmakopeia. Es ist ein Moos, das zur Familie der Bärlappgewächse gehört, die auch als Schlangenmoos, Drudenfuß oder Wolfsfuß bezeichnet werden.
Es ist biologisch ein kleines, blütenloses Farn (1).
Dabei wurden die Sporen des Lycopodium clavatum, wie es in der Homöopathie Verwendung findet, schon lange als pyrotechnisches Agens verwendet (2). Sie werden klein gemahlen und können dann leicht entzündet werden und eine eindrucksvolle Stichflamme erzeugen. Diese kann man zu Show-Effekten, auch im rituellen Bereich verwenden und es gibt Hinweise auf eine bereits jungsteinzeitliche Benutzung im Schamanismus (3, 4).
Interessanterweise gibt es immer noch kein anderes Material mit diesen Eigenschaften, weshalb es so unverändert bis zum heutigen Tag angewendet wird.
Samuel Hahnemann, als gelerntem Apotheker, waren die Bärlappsporen aber aus einem anderen Grund bekannt, denn sie spielten bei der Herstellung von 'Pillen' in den damaligen Apotheken eine große und wichtige Rolle.
Kriminalisten verwenden Bärlappsporen, um Fingerabdrücke sichtbar zu machen. Das haben wir sicherlich alle einmal in Fernsehfilmen oder im Kino gesehen, ohne zu wissen, um was es sich da genau handelt.
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%A4rlappe
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%A4rlappsporen
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%A4rlappe#Verwendung
(4) https://www.heilpflanzenkatalog.net/heilpflanzen/heilpflanzen-europa/176-baerlapp.html
Klassische Literatur
Lippe (1) gibt schon einen Hinweis auf die Betonung der geistigen Fähigkeiten bei gleichzeitiger körperlicher Schwäche der Lycopodium-Konstitution Dies wird im modernen Bild des Mittels, wie es in meiner Erfahrung korrekterweise von P. Vijayakar erzählt wird seine Ausweitung und Widerspiegelung finden. Er schreibt weiter 'Körperlich schwächliche Menschen, die geistig wach, bzw. von scharfem Intellekt sind.' ... 'Die Kinder sind schwächlich, abgemagert; mit gut entwickeltem Kopf aber abgemagertem Körper.'. Auch wenn ich es in einer körperlichen extremen Ausprägung so bislang nicht sehen konnte, sollte man dieses äußere Erscheinungsbild als Idee im Kopf behalten, da es tendenziell sehr korrekt scheint. Das gilt auch für die Angabe 'Sieht älter aus, als er ist (Arg-n).', die man ansatzweise oft beobachtet, auch wenn es nur so ein Eindruck ist, dass die Kinder irgendwie reifer, älter und fast wie kleine Erwachsene wirken. Die Rubrik Frühreife gibt dies leicht modifiziert wieder:
- Gemüt; FRÜHREIFE (34): acon, Asar, aur, bell, calc, calc-p, carc, chlorpr, cina, crot-h, fl-ac, hyos, ign, iod, lac-h, lach, lyc, med, merc, nux-v, orig, parot, petr, phos, puls, sep, sil, stroph, sulph, supren, syph, tab, tub, verat
Andere der recht vielen aufgezählten Symptome sind eher schwierig zu finden in der täglichen Praxis. Wer wird einem schon erzählen, dass sein Kind bei Schnupfen 'aus dem Schlaf auffährt und sich die Nase reibt.'?
Aber wir finden schon eine gute Beschreibung der unangenehmen Seiten des Mittels, wenn Lippe schreibt: Herrschsüchtig und tyrannisch'. Nur die Art, wie dies oft seinen Niederschlag in der Realität findet, gehört genauer ausgeführt, auch wenn es so genau stimmt. In der letzten miasmatischen Ausprägung, wenn alles syphilitisch 'eingefärbt' ist, sind natürlich alle sozialen Schranken verloren und das tyrannische Gehabe tritt direkt und ungeschönt zu Tage.
Auch der reichliche rote Satz im Urin, der Verlauf der Symptome von rechts nach links sowie die Verschlechterung zwischen 16 und 20 Uhr sind bereits bei Lippe erwähnt.
Über die Temperatur-Modalitäten Lycopodiums lernen wir bei Kent (2) korrekterweise von seiner generellen Warmblütigkeit bzw. der Besserung durch kalte Anwendungen und seiner {tip::Dies ist bei Kent allerdings nicht ganz eindeutig, da er im Folgesatz auch von einer großen Kälteempfindlichkeit schreibt}Empfindlichkeit gegen warmes Wetter{/tip}.
Auf den weiteren 11 Seiten können wir Wesentliches über Lycopodium erfahren, bis zu seiner typischen Seitenverteilung von rechts nach links. Ob ich mit diesen Informationen allerdings in der Lage gewesen wäre, das Mittel korrekt zu verordnen, weiß ich nicht. Auch wenn alles (natürlich) richtig ist, entsteht vor meinen Augen kein wirklich transparentes Bild. Dieses versuche ich dann unter der Überschrift Eigene-Erfahrungen weiter zu geben.
(1) Lippe, A., Grundzüge der charakteristischen Symptome der Homöopathischen Materia Medica, 3. Auflage 1996, Burgdorf Verlag, Göttingen, S. 450ff
(2) Kent, J. T., Lectures on Homoeopathic Materia Medica, 3. Auflage, Boericke und Tafel 1923
Eigene Erfahrungen
Es ist v.a. als Mittel für männliche Patienten bekannt, da es in seiner Essenz viel mit Durchsetzung und Vorherrschaft zu tun hat. Das habe ich in meiner Praxis bestätigt gefunden. Lycopodium passt sich dabei so gut wie möglich in die Hackordnung ein, wie es dies häufig auch früh schon gelernt hat. Er buckelt nach oben, schon alleine um sein Vorankommen zu sichern, und tritt nach unten:
- Gemüt; GERINGSCHÄTZIG, verächtlich; hart gegenüber Untergebenen und freundlich zu Vorgesetzten oder Personen, von denen er etwas zu befürchten hat (4): lach, lyc, plat, verat
Lycopodium wurde {tip::aber natürlich nicht immer}oft{/tip} in seiner Kindheit und Jugend schon sehr bevormundet und gegängelt und hat sich dann vorgenommen, dies durch Ehrgeiz und hartes Arbeiten wett zu machen und allen seine Überlegenheit zu beweisen. Dabei ist diese Dominanz zwar ein begünstigender Faktor für eine Lycopodium-Pathologie und man sollte immer danach fragen, wenn man den Eindruck hat, es könnte sich um dieses Mittel handeln, sie muss aber nicht immer vorhanden sein.
- Gemüt; BESCHWERDEN durch; Domination durch andere Personen, lang währende (8): carc, cupr-acet, falco-p, foll, lyc, mant-r, mosch, sep
Eine typische Eigenschaft von Lycopodium ist sein großer Wille ein als dominant empfundenes Elternhaus durch eigene Dominanz zu überwinden. Dabei können auch Kleinkinder schon ein derartiges Verhalten an den Tag legen, dass sie versuchen, durch gezielt eingesetzte 'Gewissenhaftigkeit' Vorteile gegenüber anderen zu erlangen. Sie fallen duch Ehrgeiz auf, gleichzeitig aber auch durch ihre Art, meist die Mutter, selbst dominieren zu wollen. In ihrem Weltbild steht die Mutter unter ihnen in der Rangfolge.
Der Hochmut Lycopodiums drückt sich oft in einem Sprachduktus aus, der anderen kaum die Möglichkeit läßt, ihre Meinung zu äußern. Es ist eine druckvolle und in kurzen Anweisungen gehaltene Sprache (1).
Dieses Dominieren-Wollen ist eine Eigenschaft, die immer vorhanden sein sollte, jedenfalls in der ein oder anderen Form. Ein Mensch, der lieb, nett kontaktfreudig und verständnisvoll ist, benötigt im Gegenschluß fast nie Lycopodium, es sei denn, dies ist erst als Kompensationsreaktion eingetreten. Dann sollte diese auf das Dominieren anderer ausgerichtete Art aber wenigstens in der Vorgeschichte vorhanden sein.
Selbst bei kleinen Kindern steht immer das eigene Selbstbild, von dem sie nicht abrücken wollen im Vordergrund. Man spürt diese eigenartige Reserviertheit, die daher stammt, dass man sich keine Blösse geben möchte. Alles, was der Patient erzählt, und sei es nur unbedeutender Smalltalk, könnte Kratzer am Lack des Selbstbildes hinterlassen. Dabei ist dieser sog. Smalltalk in der Homöopathie oft einfach vonnöten, um ein Gespräch aufzulockern, und damit den Kern der Person sichtbar zu machen. Es spielt eine größere Rolle, wofür sie oder er sich interessieren, wie er reagiert usw., als ob er lieber Hühnchen oder Zimtschnecken isst. So kann der erste Eindruck bei Lycopodium-Patienten der einer schüchternen Person sein, denn sie öffnen sich nicht schnell, wie z.B. Lachesis, das diesen Eindruck von Scheue und Zurückhaltung nur eine sehr kurze Zeit aufrecht erhält. Es wird sich schnell mit Interesse der anderen Person zuwenden, was bei Lycopodium meist über das gesamte Gespräch hinweg ausbleibt.
Überhaupt noch ein Wort zur Rubrik 'Schüchternheit, Furchtsamkeit'. Es kann sich hinter einer großen Schüchternheit auch eine große Arroganz oder eben ein übersteigertes Selbstwertgefühl verbergen. Dies muss man im Laufe des Gespräches herausfinden und darf nicht gleich davon ausgehen, dass schüchterne Menschen nicht auch hochmütig sein können. Bei Lycopodium z.B. ist dies eine typische Kombination.
Vielleicht ist der Patient selbst im Schlaf darauf bedacht, sein mühsam geschaffenes Selbst-Bild nach außen zu wahren, weshalb er sogar mit offenen Augen schlafen kann, um seine Umwelt nicht aus dem Blick zu verlieren:
- Augen; OFFEN, öffnen; allgemein; Schlaf, im (33): ... bell, ... cocc, ... lyc, …
Grundsätzlich ist Lycopodium ein warmblütiges Mittel, das nicht leicht friert und auch keinen großen Durst hat. Es muss auf der Arbeit eine Flasche Wasser vor sich hinstellen, damit er an das Trinken denkt.
(1) Eigene Aufzeichnungen nach Dr. Vijayakar, Prafull, Mumbai, Indien
Repertorium
- Gemüt; FREMDE, unbekannte Personen; Gegenwart; agg. (19): ... lyc, ...
- Gemüt; ANGST; Reden, beim; Begleitung zu, bei dem Versuch in (3): lach, lyc, plat (was gewissenhaft ist, mit sonst ähnlichen Eigenschaften)
- Gemüt; WICHTIGTUEREI, hochtrabendes Verhalten (16): alco, arn, bell, calc, cann-i, cupr, ferr, ferr-ma, glon, hyos, lyc, phos, Plat, stram, sulph, verat
- Gemüt; ANMAßEND, Vermessen (5): arn, calc, lyc, plat, staph
- Gemüt; SOZIALE; Stellung, bedacht auf die (22): aeth, agar, alum, bell, calc, cann-i, coca, cupr, ign, lyc, lyss, naja, nux-v, pall, phos, plat, puls, rhus-t, sep, staph, sulph, Verat
- Gemüt; HOCHMUT, Arroganz, Stolz, Überheblichkeit (67): ... LYC, ... PLAT, ... Sulph, ... Verat, ...
- GEMÜT; HOCHMUT, Arroganz, Stolz, Überheblichkeit; steif und anmaßend, angeberisch (1): lyc
- Gemüt; FURCHT; allgemein; Zielort nicht erreichen zu können, seinen (1): lyc
- Gemüt; BESCHWERDEN durch; Domination durch andere Personen, lang währende (8): carc, cupr-acet, falco-p, foll, lyc, mant-r, mosch, sep
- Gemüt; WEINEN; allgemein; gedankt wird, wenn ihm (2): Lyc, puls
- Gemüt; DIKTATORISCH, herrisch, dogmatisch, despotisch (37): allox, androc, apis, arn, ars, bamb-a, bar-s, bell, borag, camph, caust, cham, chel, chin, con, cupr, dulc, falco-p, ferr, gall-ac, kola, lac-eq, lac-leo, lach, lil-t, lyc, med, merc, nux-v, ozone, pall, phos, plat, sulph, thymu, thyr, verat
- Gemüt; GERINGSCHÄTZIG, verächtlich; hart gegenüber Untergebenen und freundlich zu Vorgesetzten oder Personen, von denen er etwas zu befürchten hat (4): lach, lyc, plat, verat
- Gemüt; WEIBISCH, verweichlicht (5): calc, lyc, plat, Puls, sil
- Gemüt; GROBHEIT, Unflätigkeit; allgemein (51): ... Lyc, ...
- Gemüt; SCHROFF, kurz angebunden; herzlich, jedoch (4): aur-m, lyc, nux-v, Puls
- Stuhl; KNOTIG, klumpig; zuerst, dann weich (1): lyc