Kalium carbonicum
Eigene Erfahrungen
Kali-Verbindungen sind fast alle eine ganz eigenartige Mischung aus Schüchternheit, Ängstlichkeit und Aggressivität (1). Eigentlich versuchen sie dem Behandler zu vermitteln, wie harmlos, unaufdringlich, gerecht und ausgeglichen sie sind. Dies geschieht jedoch oft so eindringlich und nachdrücklich, dass man bereits hellhörig wird und schnell das Gegenteil mutmaßt. Wenn dies weiter geht, fühlt man sich leicht geradezu eingeschüchtert von dieser Art und später bekommt man vielleicht vom Ehepartner noch die Information, wie streitbar der Patient eigentlich ist, wie er sich mit Handwerkern oder dem Briefträger angelegt hat und sie wegen Kleinigkeiten in den Senkel gestellt hat.
Hier kann man gewisse Übereinstimmungen erkennen mit dem von George Vithoulkas gezeichneten Bild (2, 3). Er schreibt über Kalium carbonicum: ‚Er ist dogmatisch bis zur Unbeugsamkeit und Starrheit, an ein starkes Pflichtbewußtsein gebunden. Er lebt in einem angespannten Zustand, in dem der Verstand eiserne Kontrolle über Erleben, Verhalten und Gefühle behält.‘ Wobei der die Gereizheit und Streitbarkeit nicht direkt erwähnt, sondern dirkt auf die sekundäre Folge der Starrheit und Unbeugsamkeit eingeht.
Doch damit endet für mich das, was ich noch mit einer leichten Verschiebung der Beobachter-Perspektive aus den von mir sonst so hoch geschätzten 'Essenzen homöopatischer Arzneimittel' (2) nachvollziehen kann. Weiterhin heißt es dann: ‚So eine Person ist genötigt die Welt in Begriffen von schwarz und weiß, richtig und falsch und ordnungsgemäß und ordnungswidrig zu sehen. … Er ist konservativ, stoisch, klaglos, dogmatisch, ‚ganz genau‘. … Er kann gefühllos erscheinen wegen seiner kontrollierten Weise, Gefühle auszudrücken, aber er mag die Dinge sehr stark empfinden … .‘.
Eine derartige Beschreibung erscheint mir praktisch nicht nachvollziehbar, und zwar sowohl aus meinen Erfahrungen in Indien (1), wie auch in meiner eigenen Praxis heraus. Dabei schreibt Vithoulkas (2) vorher in seinem Bild von Kalium bichromicum etwas, das sowohl der Beschreibung von Vijayakar (1 als auch in meiner Erfahrung zumindest teilweise zutrifft: ‚Alle Kalis – außer Kali-arsenicosum … - haben eine ähnliche Persönlichkeitsstruktur: Verschlossen, zurückhaltend, tüchtig und überaus korrekt.‘ Das Korrekte würde ich definitiv nicht betonen, da es mindest in meiner Perspektive nicht so im Vordergrund stand, zumindest nicht so sehr wie die 'schüchterne Reizbarkeit und Streitbarkeit'.
Man sollte sich immer wieder die grundätzlichen Eigenschaften der Agitiertheit und des Fordernden gepaart mit einer Schüchternheit und Furchtsamkeit ins Gedächtnis rufen. Wenn Kalium Patienten sprechen ist dies meist von reichlich Gestikulieren und lebhafter Mimik begleitet, insbesondere, wenn sie sich aufregen, was beim Sprechen leicht passieren kann:
- Gemüt; GEMÜTSERREGUNG, Gefühlsspannung, erregbar; allgemein; Sprechen, beim (8): am-c, am-m, ambr, ammc, caust, graph, kali-m, merc
Grundsätzlich hat Kalium carbonicum eine rebellische Komponente, wie man sich aus dem zuvor Gesagten gut vorstellen kann. Sie kämpfen hier gegen alles mögliche an, in der Form von Ätzkalk (Causticum) für allgemeine Gerechtigkeit, sonst meist für persönliche Dinge.
- Gemüt; ANARCHIST (7): arg-n, caust, kali-c, merc, sep, staph, thuj
Ansonsten sind sie sind ja viel mit Kämpfen und dem Abstecken von Spielräumen beschäftigt, jedenfalls so weit es ihre Schüchternheit zuläßt.
Typisch ist eine Verschlechterung nach Mitternacht, zwischen 2, 3, 4 Uhr und später, wenn die Kortison-Level im Blut noch niedrig sind, das Melatonin, das unseren Schlaf fördert, aber langsam wieder abfällt und deshalb besonders leicht eine Erregung stattfinden kann.
- Schlaf; ERWACHEN; Morgen, gegen; 5 Uhr; 6 Uhr, bis (1): kali-c
Dies geschieht natürlich insbesondere bei den leicht erregbaren Individuen, die eine Kalium-Verbindung als homöopathisches Mittel benötigen.
Aufgrund dieser grundsätzlichen Erregbarkeit ist eine typische Bestätigungesfrage für Kalium-Verbindungen (inklusive Causticum): Sind sie schreckhaft und/oder kitzlig? Wird dies mit ‚Ja‘ beantwortet, dann ist es ein weiterer Hinweis auf ein Kali als das benötigte Heilmittel. In die gleiche Richtung geht auch die starke Empfindlichkeit auf Luftzug (9 der 106 Mittel in der entsprechenden Rubrik sind Kalium-Verbindungen).
Dieses leichte Aufgeregtsein zieht sich durch alle Kalium-Verbindungen durch und sie sind, jedenfalls wenn sie einmal ihre Schüchternheit abgelegt haben und Vertrauen fassen konnten, immer zu einem kleinen Streit aufgelegt. Dies wird ggf. auch, wenn anwesend, vom entsprechenden Ehepartner so kommuniziert. Hierbei führt ihre grundsätzliche Scheu dazu, dass sie ihre Aggressivität am liebsten mit ihrer Familie ausfechten, am deutlichsten wird dies bei Kalium phosphoricum und Kalium iodatum, ist aber bei vielen anderen Kalis im Repertorium eingetragen und ist in meinen Augen eine wesentliche Eigenschaft der Mittel-Familie.
- Gemüt; STREITSUCHT, zänkisch; Familie, mit der eigenen (6): kali-c, kali-m, kali-p, lac-lup, thuj, thyr
- Gemüt; REIZBARKEIT, Gereiztheit; allgemein; Familie, gegenüber ihrer (6): kali-fcy, kali-i, lac-h, lar-ar, opun-a, thuj
Wenn man einmal diese ungewöhnliche Mischung der Kalis aus Schüchternheit, Ängstlichkeit und fordernder Aggressivität mit einer Abneigung gegen Trost verstanden hat, kann man sich die einzelnen Verbindungen relativ leicht erarbeiten.
- Gemüt; TROST, Zuspruch; agg.; freundlicher Rat (5): calc, calc-p, hell, kali-c, merc
Hierbei sorgt das Carbon-Element bei Kalium carbonicum auf der körperlichen Ebene zusätzlich noch für ein wenig Rundlichkeit, sie sind nicht sehr dick, aber einfach kräftiger. Im Gesicht muss sich das nicht unbedingt so direkt niederschlagen, hier kann Kali-c auch recht schlank imponieren, ja sogar eher 'scharfe Gesichtszüge' tragen.
Grundsätzlich sind Kalium-Verbindungen durstig, neigen in Akut-Situationen jedoch dann zu Durstlosigkeit.
(1) Eigene Aufzeichnungen aus den Jahren 2009 bis 2014 nach Dr. Vijayakar, Prafull, Mumbai, Indien
(2) Vithoulkas, G, Essenzen homöopathischer Arzneimittel, Sylvia Faust Verlag, Höhr-Grenzhausen 1990
(3) Morrison, Roger, Handbuch der homöopathischen Leitsymptome und Betätigungssymptome, Kai Kröger, Verlag für homöopathische Literatur, Groß Wittensee 1997