Die Ursprungssubstanz
Das Schweigrohr als Pflanze gehört zu den seltenen Vertretern, die ich persönlich einmal gekostet habe bezüglich ihrer toxischen Wirkungen. Im Rahmen einer sonntäglichen Führung im botanischen Garten in Mainz kamen wir ins Arboretum (den Bereich, in dem hauptsächlich Bäume zu finden sind) und wurden, an einem Tümpel gelegen, auf Caladium seguinum aufmerksam gemacht und gewarnt, dass man es nicht in den Mund nehmen solle. Natürlich war mein Interesse geweckt und nach kurzer Rücksprache versuchte ich einen winzigen Teil der Pflanze. Tatsächlich war ein kleiner Bereich meiner Mundschleimhaut, der mit dem Pflanzenstückchen in Berührung gekommen war, für gut 20 Minuten fast vollkommen taub. Dies liegt an dem reichlichen Vorkommen von Calcium-Oxalat-Kristallen im Pflanzengewebe. Man kann sich nun also vorstellen, was passiert, wenn man den Mund damit voll hat und die Wirkung entsprechend länger und intensiver ist. Das Gefühl ist dann, dass man nichts mehr sagen oder Nahrung zu sich nehmen kann und entsprechend ausgestossen ist und nicht weiter kommen kann (s. eigene Erfahrungen). Dazu passt natürlich auch die Impotenz als eines der wichtigsten wahlanzeigenden Symptome, allerdings natürlich immer nur, wenn die allgemeinen Rahmenbedingungen des Mittels passen. Die Fortpflanzung, also das Weiterkommen der Generationen ist tief gestört bei Caladium.
Die Pflanze gehört botanisch zu den Aronstabgewächsen, die auf Englisch auch als 'Ladies and gents' bezeichnet werden. Ein anderer Name der Spezies ist Herz-Jesu (Heart of Jesus), Dieffenbachia seguine oder Schierlings-Caladium. Andere verwandte Arten sind Arum triphyllum, A. Dracontium, A. Maculatum und Calla.
Klassische Literatur

Wenn man die klassische Literatur über Caladium durchschaut, stellt man fest, dass sie im Jahr 1832 von Constantin Hering (1) in Surinam, wo die Pflanze bekannt war, geprüft wurde. 'Die Herkunft des Namens Caladium ist unklar, er ist vermutlich indischen Ursprungs; seguinum = schierlingsähnlich.' (2). Und weiter heißt es in diesem Text: 'In Amerika wird die Tinktur bei Pruritus vulvae verordnet, während Abkochungen des Krautes zu Gurgelwässern und Fomentationen benützt werden (Union pharm. 1878, Nr. 19, S. 291.).
Clarke (Clarke, A Dict. of pr. Mat. Med., Bd. I, S. 333.) bezeichnet Caladium seguinum (ebenfalls, Anm. des Autors) als eines der besten Mittel bei Pruritus vulvae. Auch falls dieses Leiden durch Würmer verursacht ist, werden, nachdem eine Wurmkur vorgenommen worden ist, die zurückgebliebenen Beschwerden durch Verordnung des Mittels rasch gebessert, da es stark beruhigend auf das Sexualsystem wirkt (Stauffer, Klin. hom. Arzneimittell., S. 266.).
Auf homöopathischer Basis wird es bei geschwächter Potenz mit mangelhaften Erektionen (Heinigke, Handb. d. hom. Arzneimittell., S. 129.) und Sterilität sowie bei Frigidität (Haehl, Dtsch. Ztschr. f. Hom. 1934, S. 67.) angewandt.' (2).
Um sich einen Eindruck vom klassischen Bild von Caladium zu machen, kann ich die Lektüre von Kents Materia Medica empfehlen, die hier auf Google verfügbar ist: (bitte zum Anfang des Mittelbildes hochscrollen!)
(1) Hering, Constantin, Condensed Materia Medica, 3. Auflage, F. E. Boericke, Philadelphia 1884
(2) https://www.henriettes-herb.com/eclectic/madaus/dieffenbachia.html
Eigene Erfahrungen
Natürlich sind die sexuellen Symptome, wie man aus der klassischen Literatur erfährt, das erste, das einen an das Mittel denken läßt. Aber, wie so oft in der Homöopathie, muss man im Anschluß zwischen Dutzenden bis Hunderten Mitteln differenzieren und ein 'tiefer passendes' auswählen. Die Mittel, die in Frage kommen, nachdem man eine 'wesentliche' Rubrik gefunden hat, die als § 153-er Symptom durchgehen könnte (1).
Dies ist ja auch der eigentliche Grund, für meine 'Mittel des Monats'-Rubrik, denn meist fühlt sich der angehende Homöopath von der klassischen Literatur diesbezüglich sehr alleine gelassen. Auch die Literatur des Arzneimittel-Bildes oder gar der Prüfungssymptome führen nur selten zu einem Bild, das den Behandler auf eine veritable Fährte führt. Um sich dies vor Augen zu führen empfehle ich noch einmal die Lektüre der Kent'schen Vorlesung bzw. seiner Arzneimittel-Lehre, die man bei Google kostenfrei einsehen kann (3) (bitte zum Anfang des Mittelbildes hochscrollen!). Dabei steht es mir natürlich nicht zu, den berühmten Kent zu kritisieren, aber wir müssen dennoch gemeinsam versuchen, die homöopathische Materia Medica auf ein anwendbares Maß zu bringen, das wir alle in der täglichen Praxis erkennen und anwenden können. Nur dann kann die Homöopathie wirklich weiter entwickelt werden und zur Blüte kommen, was durchaus Not tut nach 200 Jahren. Dabei handelt es sich natürlich um eine Mammut-Aufgabe, die kein einzelner leicht bewerkstelligen kann. Wohl kann man aber Strukturen schaffen, die dies möglich machen bzw. dem Vorschub leisten. Außerdem mache ich mir diese leise Kritik nicht leicht, sondern ich möchte betonen, dass ich mich seit meinem späten 23. Lebensjahr mit Homöopathie beschäftige, im Verlauf der daraufhin folgenden 28 Jahre bis heute Medizin studiert habe und bei einigen großen und bekannten Homöopathen studiert und gelernt habe. Ich glaube also mit Fug und Recht behaupten zu können, dass meine Beschäftigung mit dem Sujet eine ernsthafte ist. Dabei ist mir die korrekte Anwendung der einzelnen Medizinen immer das wichtigste Unterthema der gesamten Wissenschaft gewesen. Ich wage sogar zu behaupten, dass das korrekte homöopathische Mittel, den einzelnen Patienten befähigt über sich selbst hinaus zu wachsen und 'sich selbst auf natürliche Art und Weise in die Welt einzuordnen'. Man gestatte mir also eine derartige Kritik, denn sie soll dazu dienen, das homöopathische Wissensgebäude weiter wachsen zu lassen.
Der Patient fühlt sich oft, als fahre er ein wenig 'mit angezogener Handbremse' durch sein Leben. Dies korreliert in meinen Augen mit der Beschreibung Vijayakars (2), das Mittel entspräche einem übertrieben vorsichtigen Typus, der die Medizin immer nur zur exakt richtigen Zeit einnehme und ständig damit beschäftigt sei, er könne irgendwie seine Gesundheit ruinieren oder ruiniert haben. Er beschreibt es nur aus einer leicht anderen Perspektive. Es ist dem einzelnen möglicherweise gar nicht bewußt, dass seine Beschreibung der 'angezogenen Handbremse' auf einer bestimmten, abstrakten Ebene, durch diese möglicherweise lebenslang schon bestehende Übervorsicht bedingt ist. Den Menschen hat vielleicht in frühen Lebensjahren ein Schock ereilt, der sein Leben auf den Kopf gestellt hat und ihn fortan vorsichtig und eben in eine Caladium-Pathologie gedrängt hat.
Ein anderes Moment, bei dem man feststelllen kann, dass Caladium sich bis zu einem gewissen Grade aus der Realität zurück gezogen hat, ist die Vergesslichkeit, wobei ihm das Vergessene im Schlaf wieder einfällt:
- Gemüt; VERGESSLICHKEIT; Schlaf, im, erinnert sich an alles, was er vergessen hatte (2): calad, sel
- Gemüt; VERGESSEN; Dinge fallen im Schlaf wieder ein (2): calad, sel
Ein typisches Symptom ist auch das hastige Essen, das mich in einem Fall auf das Mittel aufmerksam gemacht hat:
- Geist, Gemüt; Eile, Hast; Essen, beim (47): ANAC androc arg-n ARS AUR aur-s BELL berb bros-g CALAD CAUST clem COFF conch CUPR cymb-c dig ephe-v graph HELL HEP hist iod kali-c lac-lup LACH lyc lyss merc merc-v naja-m NUX-M nux-v OLND PHOS pip-m PLAT plect RHUS-T sabad sol SUL-AC sulph tela thuj urt-u ZINC
Alles das, was komplett in unser 'Wesen verwoben' ist, verschwindet in der subjektiven direkten Wahrnehmung, da es uns als zu selbstverständlich erscheint, es ist unser 'Filter' geworden, unter dem wir die Welt betrachten. Dies ist fast immer zutreffend, nicht nur im Falle Caladiums, wo ich es aber besonders augenscheinlich fand.
Alle anderen Symptome, die die klassische Literatur beschreibt, sind übrigens nicht falsch, sondern ebenfalls, falls man sie finden sollte, gute 'Wegweiser' zu dem Mittel. Die Idee, diese Symptome in der Majorität der Fälle vorfinden zu müssen, ist allerdings in meinen Augen vollkommen falsch.
In der klassischen Literatur ist davon die Rede, dass Caladium 'Ruhe möchte, mit einer Abneidung gegen Bewegung (4). Dies scheint in meinen Augen auch nicht so eindeutig zu sein, jedenfalls können in meiner Erfahrung Caladium-Patienten durchaus Sport treiben oder bewegungsfreudig sein. Allerdings nicht allzu viel und keine passionierten Triathleten z.B.. Sie betreiben hingegen bekannte Risiko-Sportarten, dies aber regelmäßig.
- Gemüt; MUTIG, beherzt, tapfer, unerschrocken; närrisch (2): bar-c, calad
Man darf das Prinzip des Pendels in der Psychologie des Menschen nie vernachlässigen. Wenn es zu einer starken Bewegung in eine Richtung kommt, dann setzt sehr oft eine 'innere Gegenbewegung' ein, die scheinbar das Gegenteil zu Tage fördert. Sich diese Bewegungen vor Augen zu führen, sie wahrzunehmen, setzt aber viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung voraus.
(1) Hahnemann, Samuel, Organon der Heilkunst, 6. Auflage, 1842 (nach der Ausgabe von Richard Haehl 1921)
(2) Vijayakar, Dr. Prafull, Mumbai, Indien, eigene Aufzeichnungen 2007-2013
(3) Kent, James Tyler, Homöopathische Arzneimittelbilder: Vorlesungen zur homöopathischen Materia medica Georg Thieme Verlag (MVS Medizin-Verlag), Stuttgart 2009
(4) Lippe, A. Handbuch homöopathischer Charakteristika: Eine Arzneimittellehre für die Praxis, Haug Verlag, Stuttgart 2003, aus dem Original Textbook of Materia Medica von 1866
Repertorium
- Gemüt; MUTIG, beherzt, tapfer, unerschrocken; närrisch (2): bar-c, calad

- Gemüt; AUFFAHREN, schreckhaft; Papierrascheln, durch (1): calad
- Gemüt; AUFFAHREN, schreckhaft; Tür; zuschlägt, wenn eine (2): calad, ox-ac
- Gemüt; MUTIG, beherzt, tapfer, unerschrocken (32): acon, agar, alco, ... berb, bov, calad, calc-s, dros, ... ferr-p, ... ign, ... op, ... puls, squil, ... tab, tarax, ter, ... tub, …
- Gemüt; EIFERSUCHT; allgemein; Impotenz, mit (2): calad, nux-v
- Gemüt; GEDANKEN; allgemein; hartnäckig; sexuelle; Impotenz, mit (2): calad, sel
- Gemüt; LEICHTFERTIG, oberflächlich, leichtsinnig (18): agar, apisin, ... arn, bar-c, bell, calad, con, ... Merc, par, Puls, ... spong, ...
- Gemüt; KONZENTRATION; schwierig; Denken, beim (3): calad, lim-b-c, mant-r
- Gemüt; LÜSTERN, lasziv; Impotenz, mit (4): calad, chin, op, sel
- Gemüt; LÜSTERN, lasziv; weidet sich am Anblick vorbeigehender junger Frauen, steht an den Straßenecken herum (2): calad, fl-ac
- Gemüt; KÜHNHEIT, Verwegenheit, Dreistigkeit (40): acon, agar, alum, ant-t, arn, aur, bamb-a, bell, bov, calad, carc, caust, chlf, cic, cocain, falco-p, guai, hep, Ign, lac-eq, lach, lar-ar, m-arct, merc, mez, nat-c, nitro-o, op, ozone, plat, puls, sil, sol, squil, staph, sulph, tab, tub, tung, verat
- Gemüt; REDEN, redet; allgemein; rücksichtslos / inconsiderate (3): alco, calad, mez
- Gemüt; REIZBARKEIT, Gereiztheit; allgemein; Schlaf; agg; im (5): calad, calen, cast, thuj, vac
- Gemüt; DELIRIUM; murmelt; Typhus, bei (3): arn, lyc, calad
- Gemüt; INDISKRETION, Taktlosigkeit (31): ... bar-c, ... calad, ... merc, ... nux-v, ...
- Gemüt; VERGESSLICHKEIT; Schlaf, im, erinnert sich an alles, was er vergessen hatte (2): calad, sel
- Gemüt; VERGESSEN; Dinge fallen im Schlaf wieder ein (2): calad, sel
- Mind; dreams; vivid; images, lifelike / Träume; lebhaft, lebensnah; Bilder, lebensnahe (4): aster, calad, NAT-M, tarax
- Gemüt; VERWIRRUNG, geistige; Frühstück; nach; agg (2): calad, coc-c
- Gemüt; VERWIRRUNG, geistige; konzentrieren, sich zu, bei dem Versuch (14): ambr, androc, asar, calad, gels, hydrog, lim-b-c, mez, nat-c, nat-m, nit-ac, olnd, ran-b, staph
- Gemüt; EMPFINDLICH, überempfindlich; allgemein; Geräusch, gegen; Einschlafen, beim (4): calad, calc, lac-del, ozone
- Gemüt; EMPFINDLICH, überempfindlich; allgemein; Geräusch, gegen; Papierrascheln, gegen (10): asar, bor, calad, ferr, lyc, nat-c, nat-s, tarax, ther, zinc
- Allgemeines; GERÄUSCH, Lärm; amel (13): apoc, aur-ar, calad, calc, graph, hell, kali-ar, mag-p, med, puls, pyrog, stram, tarent
- Geist, Gemüt; Eile, Hast; Essen, beim (47): ANAC androc arg-n ARS AUR aur-s BELL berb bros-g CALAD CAUST clem COFF conch CUPR cymb-c dig ephe-v graph HELL HEP hist iod kali-c lac-lup LACH lyc lyss merc merc-v naja-m NUX-M nux-v OLND PHOS pip-m PLAT plect RHUS-T sabad sol SUL-AC sulph tela thuj urt-u ZINC
- Gesicht; TROCKENHEIT; allgemein; Lippen; nachts (4): ant-c, aq-mar, calad, cham