Proteus mirabilis
Die Ursprungssubstanz
Proteus mirabilis ist Teil der Enterobakterien-Familie, Bakterien die sich im Darm des Menschen aufhalten. Sie sind fakultative Anaerobier, die Maltose aber keine Laktose fermentieren können. Proteus ist durch seine Flagellen sehr beweglich und kann Polysaccharide sezernieren um an festen Oberflächen besser anhaften zu können, weshalb es oft auf medizinischem Gerät zu finden ist. Es wird reichlich in der Erde und Oberflächen-Wasser gefunden und ist eben Teil der normalen menschlichen Intestinal-Flora, kann aber auch für Krankheiten verantwortlich zeichnen. Dann ist sein Hauptangriffspunkt im menschlichen Körper der Harntrakt, wo es für Harnwegsinfekte (HWI) verantwortlich ist. Meist sind Frauen zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr von HWIs betroffen. Hierbei zeichnet Proteus bei sonst gesunden Frauen für ca. 1 – 2% aller Infektionen verantwortlich (E. Coli ist der meist verbreitete Verursacher). In Krankenhäusern ist Proteus für 5% der dort erworbenen HWI verantwortlich und bei einem Infekt als Folge einer Katheter-Versorgung sogar in 20 bis 45% der Fälle (s. oben, eine Folge des Anhaftens an medizinischem Gerät durch das ausgeschiedene Polysaccharid). 90% aller Proteus-Infektionen sind von Proteus mirabilis verursacht, wobei die Erkrankung von Urethritis, Zystitis, Prostatitis, oder Pyelonephritis über den ganzen Urogenitaltrakt gehen kann. Auch rezidivierende Nierensteine können ein Hinweis auf eine zugrundeliegende Proteus-Infektion sein. (1)
Die Geschichte des Mittels Proteus mirabilis in der Homöopathie ist eine ganz andere und ich muss gestehen, dass ich persönlich diese sog. Darmnosoden in den vergangenen Jahren, in denen ich mich mit Homöopathie beschäftigt habe, fast gänzlich ignoriert habe. Dies beruht einmal auf der Tatsache einer fehlenden orthodoxen Arneimittelprüfung, aber schon ihre Einordnung als 'Nosoden' im Sinne einer Herkunft aus krankem, pathologischem oder in Zersetzung befindlichem Material finde ich schon schwierig. Eigentlich sind wir ja von den kleine 'Mitessern' in unserem Darm abhängig und die Besiedlung des menschlichen Darmkanals mit ihnen hat eine sehr große Bedeutung (2) für unsere Verdauung und damit unser Leben. Deshalb liegen Darmausgang und Geburtskanalende z.B. in unmittelbarer Nähe und sorgen damit für eine rasche, postpartale Besiedlung des Neugeborenen mit der intestinalen Flora der Mutter (2). Einen ersten Kontakt mit speziell Proteus hatte ich jedoch, wie so oft, durch Dr. Vijayakar in Mumbai, der von einem durch das Mittel geheilten Fall in seinem Buch 'Die Theorie der Unterdrückung' (3), das ich aus dem Englischen übersetzt habe, berichtet. Ausschlagebend für die Verordnung waren dabei folgende Rubriken:
- Gemüt; GEWALT, Heftigkeit; allgemein; verärgert, wenn (3): oena, prot, sil
- Gemüt; KRABBELT, rollt; Fußboden, auf dem; Zorn, im (1): prot
- Geist, Gemüt; Zorn, Ärger; leidenschaftliche Ausbrüche; fällt zu Boden, tritt und schreit (6): calc cham lac-drom nat-m prot tub
- Gemüt; ROLLEN; Boden, auf dem (9): acet-ac, ars, calc, cic, Op, paeon, prot, sulph, tarent
Aber weiter in der Geschichte dieses 'unorthodoxen' Medikaments, das auf den englischen Arzt Dr. Edward Bach (1886-1936) zurückgeht, allerdings zuerst ohne Kenntnis der Homöopathie als 'Vakzine' verwendet wurde. Im weiteren zitiere ich sehr häufig aus dem Buch von Wolfgang Mettler, 'Die Darmnosoden' (4), was dann, außer den Anführungszeichen, nicht gesondert gekennzeichnet ist. Bach ging davon aus, die meisten Erkrankungen würden vom Darm aus verursacht und somit sei die bakterielle Besiedlung des Darmes auch für die Heilung verantwortlich. 'So trug zu Anfang dieses Jahrhunderts ein namhafter Chirurg eine Theorie vor, wonach die meisten chronischen Leiden Folgen einer Autointoxikation vom Colon her seien. Auf Grund dieser Theorie behandelte er viele seiner chronisch Kranken durch eine Teilresektion des Colons. Entweder stimmte die Hypothese dieses Chirurgen oder es war die psychologische Wirkung des chirurgischen Eingriffs, jedenfalls besserten sich viele Patienten auf die Operation hin.' Wir können diese Aussage oder These natürlich nicht überprüfen, mit meiner Ansicht von Mensch und Krankheit ist es jedoch nicht in Übereinstimmung zu bringen. Bach folgte diesem Ansatz, und fertigte nach dem Vorbild von Impfungen eigene Präparate an, die er den Patienten verabreichte. 'Fand man bei der Stuhluntersuchung des Patienten eines dieser Organismen, so stellte man daraus [nach seiner Anzucht] eine Vakzine her, die man ihm [regelmäßig] injizierte.' Er teilte die Bakterienstämme schon früh nach ihren metabolischen Eigenarten in 6 Gruppen ein, Dysenterie, Gärtner, Faecalis alkaligenes, Morgan, Proteus und Coli mutabile. '1917 wurde bei Bach ein bösartiger Milztumor festgestellt, dessen Auswirkungen nach der Operation er angeblich nur durch Willenskraft „besiegte“, um seine Vorhaben zu beenden. Ab 1918 war Bach [dann aber] Arzt am London Homoeopathic Hospital, wo er aus seinen Nosoden[-Vakzinen] die sogenannten Bach-Nosoden [homöopathische Medikamente] entwickelte, denen er spezifische Charaktereigenschaften der Patienten zuordnete.' (5) Der 'Sprung zur Homöopathie war also geschafft und Bach arbeitete weiter an seiner Methode der Bekämpfung von Krankheiten mittels seinen Darm-Vaczinen. Dabei hatte er seine engen Mitarbeiter 'Dr. Wheeler und Dr. Dishington, zu denen sich später noch Dr. J. Paterson (1890 – 1955), ein Pathologe aus Glasgow hinzugesellte. ...1928 gibt Bach seine Londoner Praxis auf, um sich ganz der Suche nach Pflanzen widmen zu können, die in ihrer Wirkung den Vakcinen gleichkommen. Er möchte eine Heilmethode schaffen, die allen Menschen leicht verständlich und leicht zugänglich sein soll. ... Leider verbrennt er zu Beginn seiner neuen Forschungen alle Unterlagen über seine bisherigen Forschungsergebnisse. Er widmet sich der Suche und Erforschung der „Bachblüten,, bis zu seinem Lebensende 1936. ... Vor seinem Tode verbrennt er auch dieses Mal alle seine Aufzeichnungen. ... Die weitere Erforschung der Darmnosoden wurde aber fortgeführt durch Dr. John Paterson aus Glasgow zusammen mit seiner Frau Elizabeth Paterson.
Die Erfahrungen von Dr. Bach und seinen Mitarbeitern und seine eigenen Beobachtungen setzten Paterson in den Stand, eine Liste von Darmkeimen mit ihren zugehörigen Arzneimitteln aufzustellen und damit ein klinisches Bild zu verknüpfen, d.h., für jeden Typ von Darmkeim eine „Arzneiprüfung“ anzugeben. In diesem Fall wurde der Begriff „Arzneiprüfung“ nicht in dem strikten Hahnemann’schen Sinn – Prüfung am gesunden Menschen – gebraucht, sondern als klinisches Beobachtungsergebnis am Kranken.' Jetzt wird auch klar, warum bei manchen Arzneimittel-Bildern Bach und bei anderen Paterson in Klammern hinzugefügt ist. Letzterer hat offenbar die Idee weiter geführt und um einige Präparate erweitert (6). 'Dazu kommen noch einige Darmnosoden, die von französischen Homöopathen wie Vannier, Fortier - Bernoville u.a. hergestellt und erforscht wurden.' (7) ... Es ist Elizabeth Paterson gewesen, die uns als erste eine Liste von Symptomen erstellt hat, die sie von Patienten aufgezeichnet und gesammelt hat, die mit verschiedenen Nosoden in 330 klinischen Fällen behandelt wurden (A Survey of the Nosodes). ... Des weiteren kamen von vielen Autoren klinische Symptome hinzu. ... Im August 1949 hielt Dr. John Paterson auf dem Kongress der Liga Homöopathica Internationalis in Lyon einen Vortrag über die Darmnosoden. ... Die von Paterson angewandten Nosoden sind Verdünnungen von Bakterienkulturen, die durch Überimpfung von Faeces auf die üblichen Kulturböden gewonnen wurden.' Soweit im Großen und Ganzen Dr. Mettler.
Das Misstrauen vieler Homöopathen, inklusive mir selbst, den Darm-Nosoden gegenüber dürfte damit erklärt sein. Hinzu kommt der Mangel an klaren Symptomen, die man der Materia Medica entnehmen könnte. Bezüglich Proteus sagte uns Dr. Vijayakar immer nur, er habe es früher in der Universitätsambulanz bei stürmisch plötzlichen Symptomen gebraucht, die über den Patienten hereingebrochen seien, z.B. bei Herzinfarkten. Eine Durchfall-Historie in der Vorgeschichte sollte zusätzlich vorhanden sein. (8)